Medizininformatik in Deutschland

Medizinische Hochschule Hannover
Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik und Hannover Unified Biobank

Projektpartner im Konsortium HiGHmed

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) vereint seit 1965 als eine der ersten Universitäten Deutschlands die Studentenausbildung und Patientenversorgung baulich und inhaltlich unmittelbar. Im Bereich der Medizinischen Informatik arbeitet die MHH in einem gemeinsamen Dachinstitut – dem Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) – eng mit der Technischen Universität in Braunschweig zusammen und ist in vielen nationalen und europäischen Kooperationen vertreten. Mitarbeitende des Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik und des Zentrum für Informationsmanagement (ZIMt) bauten gemeinsam das medizinische Datenintegrationszentrum der MHH auf. Basierend auf internationalen und offenen Standards ermöglicht diese Infrastruktur den standortübergreifenden Austausch medizinischer Daten, um die Patientenversorgung zu verbessern und die Möglichkeiten der Forschung auszubauen.

Die MHH trug auch dazu bei, Angebote für die medizininformatische Aus- und Fortbildung zu entwickeln. Diese sollen Ärztinnen und Ärzten sowie Mitarbeitenden anderer Gesundheitsberufe helfen, komplexe gesundheitsbezogene Daten für klinische Entscheidungen zu nutzen und Forschungsfragen auf der Basis dieser Datenauswertungen zu formulieren.

Die MHH beteiligt sich an folgenden Anwendungsfällen der Medizininformatik-Initiative:

  • Krebsmedizin: Je mehr Ärztinnen und Ärzte über die spezielle Krebserkrankung jedes einzelnen Betroffenen wissen, desto besser und zielgerichteter können sie über die bestmögliche personalisierte Therapiemöglichkeit entscheiden. Um möglichst viele Informationen zu sammeln, sollen klinische und biomedizinische Daten – z.B. zu genetischen Veränderungen in Tumoren – an möglichst vielen Standorten übergreifend analysiert werden können.
  • Kardiologie: Moderne IT-Verfahren vereinen komplexe Biosignale (z.B. EKG-Daten) mit vielfältigen klinischen Informationen (z.B. Blutdruckwerten, Medikationen) zu einem Datenschatz. Dessen Analyse soll Ärztinnen und Ärzten helfen, Risiken für Herzkreislauf-Erkrankungen präziser zu erkennen und die personalisierte Versorgung zu stärken.
  • Infektionskontrolle: Gelangen Bakterien in die Blutbahn, können sie sich im Körper ausbreiten und gefährliche Infektionen auslösen. Automatisierte Analysen von Patientendaten sollen Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern künftig helfen, die Infektionsrisiken einzelner Patientinnen und Patienten besser einzuschätzen und – falls nötig – vorbeugend personalisierte Schutzmaßnahmen gegen Krankenhauskeime einzuleiten.

Zudem wurden folgende bereits abgeschlossene Projekte unterstützt:

  • Daten zu Bioproben: Die Vernetzung von Biobanken und Datenintegrationszentren vergrößert die Basis der datenbasierten Gesundheitsforschung. Das hilft Forschenden, Krankheiten und ihre verschiedenen Formen präziser zu erkennen und Therapien zu optimieren.
  • Kardiologie: Tragbare oder implantierte Geräte sammeln Herz-Kreislaufdaten von Patientinnen und Patienten auch außerhalb der Klinik. Diese Daten helfen, gesundheitliche Risiken von Menschen mit Herzinsuffizienz früher und besser zu erkennen. Ärztinnen und Ärzte können Verschlechterungen der Herzgesundheit dadurch frühzeitig entgegenwirken und Krankenhausaufnahmen vorbeugen.
  • Infektionskontrolle: Um Häufungen von Infektionen sowie mögliche Übertragungswege in Krankenhäusern schnell erkennen und eindämmen zu können, entwickelten Forschende ein computerbasiertes Frühwarnsystem. Während der COVID-19-Pandemie diente es bereits dazu, die Ausbreitung des Virus in Kliniken zu verhindern.

An der Lösung der vielfältigen Aufgaben beteiligen sich in Hannover zahlreiche Institutionen:

Medizinische Hochschule Hannover
Medizinisches Datenintegrationszentrum (MeDIC) der MHH
Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik
Zentrum für Informationsmanagement (ZIMt)
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Institut für Humangenetik
Institut für Pathologie
Klinik für Strahlentherapie und Spezielle Onkologie
Klinik für Kardiologie und Angiologie
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene

Onkologie

Um Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit zu geben, für an Krebs erkrankte Menschen die bestmögliche, insbesondere individuelle Therapieempfehlung zu finden, müssen enorme Mengen vielfältiger Informationen zusammengestellt, aufbereitet, analysiert und bewertet werden. Durch den Aufbau und die Implementierung technischer Strukturen hat die Medizinische Hochschule Hannover relevante medizinische Daten der Krebspatientinnen und -patienten in ihr lokales Datenintegrationszentrum integriert. Diese Informationen reichen von molekulargenetischen Befunden über Daten zu Behandlungs- und Krankheitsverläufen bis hin zu Blutwerten. Sie dienen unter anderem der Unterstützung des Molekularen Tumorboards (MTB). Hier kommen interdisziplinäre Teams aus verschiedenen Fachrichtungen der Medizin sowie der Biologie, Bioinformatik und Systemmedizin zusammen, um gemeinsam Therapieoptionen und -entscheidungen zu besprechen und festzulegen.

Die Vorarbeiten der Medizininformatik-Initiative sowie die Expertise der onkologischen Spitzenzentren in Deutschland werden im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs durch das aktuelle Projekt PM4Onco weiterentwickelt: An zahlreichen Standorten wird eine nationale Infrastruktur aufgebaut, die eine standortübergreifende Nutzung von Daten aus der klinischen und biomedizinischen Forschung, aus der Befragung Betroffener und aus den Krebsregistern ermöglicht. Die Nutzung und Analyse dieser Daten soll künftig die Ärztinnen und Ärzten vor Ort noch besser dabei unterstützen, für ihre Patientinnen und Patienten die bestmögliche personalisierte Therapieentscheidung zu treffen.

Nationale Dekade gegen Krebs: Vernetzte Daten für bessere Therapieentscheidungen

Kardiologie

Um Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen künftig besser und personalisierter behandeln zu können, werden die medizinischen Daten der Betroffenen sowie das Wissen aus der Forschung zusammengeführt und mit intelligenten IT-Lösungen ausgewertet. Individuelle Gesundheitsrisiken für Herz-Kreislauferkrankungen können so frühzeitiger erkannt und wichtige Behandlungen rechtzeitig eingeleitet werden. An der Medizinischen Hochschule Hannover spielt die Klinik für Angiologie und Kardiologie eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der kardiologischen Anwendungsfälle:

Infektionskontrolle

Patientinnen und Patienten sollen im Krankenhaus künftig besser vor Infektionen geschützt werden. Den größeren Teil dieser Krankenhausinfektionen – etwa zwei Drittel – verursachen Keime aus der eigenen Bakterienflora der Betroffenen. Der kleinere Anteil, sog. exogene Infektionen, entsteht durch Übertragungen im Krankenhaus. Die Medizininformatik-Initiative hat ein computerbasiertes Frühwarnsystem entwickelt (SmICS), das Häufungen von Krankenhausinfektionen erkennen und deren Ursachen aufdecken soll. Die MHH leitete die technische Entwicklung dieses Anwendungsfalls zur Infektionskontrolle. Eine zentrale Rolle spielte dabei auch das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene.

Medizininformatik-Initiative: Use Case Infektionskontrolle

Um Patientinnen und Patienten insbesondere vor bakteriellen Infektionen des Blutes („Blutstrominfektionen“) zu schützen, entwickelt die Medizininformatik-Initiative in einem weiteren Anwendungsfall (RISK PRINCIPE) ein automatisiertes Datenanalysesystem. Es soll das medizinische Personal entlasten und ihm helfen, persönliche Infektionsrisiken von Patientinnen- und Patientengruppen einzuschätzen und – wenn nötig – frühzeitig Hygiene- bzw. Infektionspräventionmaßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus sollten automatisiert im Krankenhaus erworbene Blutstrominfektionen (“Hospital onset bacteremia”) erfasst werden.

Medizininformatik-Initiative: RISK PRINCIPE – Risikovorhersage zur Infektionskontrolle und Behandlung in Krankenhäusern

Videos

DIFUTURE: Multiple Sklerose - Patientendaten nutzen, Therapien optimieren


HiGHmed: Herzschwäche besser behandeln – Betroffene als Forschungspartner


MIRACUM: Gemeinsam gegen COPD und Asthma


SMITH: Digitale Assistenz am Krankenbett


Die Medizininformatik-Initiative des BMBF – erklärt in 3 ½ min

Mit rund 160 Millionen Euro fördert das BMBF von 2018 bis 2021 die digitale Vernetzung von Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen. Der Animationsfilm zeigt, wie die Medizininformatik dazu beitragen wird, Krankheiten besser zu verstehen und wirkungsvoller zu behandeln. © BMBF


So funktioniert die Ein­willigung zur Daten­nutzung für die medizinische Forschung

Voraussetzung für das Forschen mit Daten ist die informierte Einwilligung der Patientinnen und Patienten in die Nutzung ihrer Daten. Wie funktioniert das genau? Wie lange werden die Daten gespeichert und wer darf sie nutzen? Wie wird der Datenschutz sichergestellt und was passiert bei einem Widerruf? © BMBF